WEININSEL GROß-UMSTADT: MASSIVER ERNTEAUSFALL ZU ERWARTEN

Gross-Umstadt

Weininsel Groß-Umstadt: Massiver Ernteausfall zu erwarten

Nach den Frostnächten Ende April droht der Winzergenossenschaft Groß-Umstadt ein hoher Verlust. Aber in den Weinbergen keimt ein wenig Hoffnung auf.

Groß-Umstadt - Es fühlt sich schon etwas sonderbar an, bei 20 Grad in der Sonne zu stehen und über Frost zu sprechen. Doch auch wenn das Thermometer im Sommer auf 35 Grad klettert und die meisten Menschen den Winter längst vergessen haben, wird das Thema Frost die Winzerinnen und Winzer in Groß-Umstadt noch intensiv beschäftigen.

Denn die beiden Frostnächte Ende April werden sich nachhaltig auf die Entwicklung der Reben und damit auf die Weinernte auswirken. Davon sind Jana Petermann-Rappl vom Vorstand der Groß-Umstädter Winzergenossenschaft „Vinum Autmundis“ und Kellermeister Max Jantke überzeugt. Beiden ist klar: Sie und die etwa 95 Mitglieder der Genossenschaft stehen in diesem Jahr nicht nur vor einem der schlimmsten Frostschäden und dem massivsten Ernteausfall der Vinum-Autmundis-Geschichte. Ihnen ist auch bewusst, dass es kein einmaliges Phänomen, sondern eine Klimawandelfolge ist, die sich wahrscheinlich wiederholen wird.

Nach April-Frost: Winzergenossenschaft Groß-Umstadt rechnet mit massivem Ernteausfall

„Späte Fröste sind keine Seltenheit“, sagt Jana Petermann-Rappl. In Bauernkalendern und alten Aufzeichnungen werden Kälteeinbrüche im späten Frühjahr immer wieder mal beschrieben. Doch inzwischen ist es nicht nur insgesamt wärmer geworden. Auch die Jahreszeiten sind aus dem Takt geraten. Der Winter war fast frostfrei, der Frühling begann schon im Februar und die erste lange sommerlich warme Phase gab es schon Anfang April. Wie Äpfel, Kirschen und andere Obstbäume trieben dadurch auch die Rebstöcke viel zu früh aus.

„Für die Reben war es das Signal, Triebe auszubilden. Etwa drei Wochen zu früh sind sie explosionsartig gewachsen und waren teilweise schon 20 Zentimeter ausgetrieben, als der Frost zuschlug“, schildert Jana Petermann-Rappl, die selbst im Nebenerwerb Ökowein anbaut. Zwei Nächte in Folge, in denen die Temperatur über Stunden auf minus 3,5 Grad fiel, verkrafteten die zarten, empfindlichen Triebe nicht. „Nachdem wir uns die Reben angesehen und die Genossen uns die Situation auf ihren Flächen geschildert hatten, mussten wir von einem totalen Ernteausfall ausgehen.“

Nun, zwei Wochen später, sei mit den neuen Trieben auch ein klein wenig Hoffnung aufgekeimt. „Jede Knospe besitzt einen Haupttrieb und ein sogenanntes Beiauge, das auch schlafendes Auge heißt“, erklärt Max Jantke. Tatsächlich seien nahezu an jedem Rebstock die Haupttriebe erfroren. Hier und da sei jedoch erkennbar, dass eines der „Augen“ überlebt habe und zaghaft austreibe. Sollten sie sich durchsetzen, könne man im Spätsommer vielleicht doch eine kleine Ernte erzielen. Der Ertrag werde nach jetzigem Stand jedoch trotzdem um 60 bis 80 Prozent geringer ausfallen als in einem durchschnittlichen Jahr.

FROST IM RHEINGAU

Der Kälteeinbruch vor zwei Wochen mit nächtlichen Temperaturen von örtlich bis zu minus 5°Grad hat nach Angaben des Deutschen Weininstituts viele deutschen Weinbaubetriebe „hart getroffen“ und in den Weinbergen teils „große Schäden“ angerichtet.

Im Rheingau seien die Winzerinnen und Winzer laut dem dortigen Weinbauverband „einigermaßen glimpflich durch die Frostnächte gekommen“. jjo

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Auch der Weinbauberater des Regierungspräsidiums, der die Rebstöcke kurz nach dem Frost begutachtet hatte, habe von einem nie dagewesenen Schaden gesprochen. Die 100 Hektar Weinbaufläche, von denen 74 Hektar von den Winzergenoss:innen bewirtschaftet werden, seien zudem stärker betroffen als in anderen Weinanbaugebieten. Dort habe man teils mit Feuertonnen in den Zeilen zwischen den Rebstöcken versucht, die Luft zu erwärmen und den Schaden zu begrenzen.

„Die Feuertonnen machen aber nur ein halbes Grad aus. Das hätte uns nicht weitergeholfen, denn die Temperatur wäre trotzdem unter zwei Grad minus geblieben, der Temperatur also, die die Triebe gerade noch aushalten können“, sagt Jana Petermann-Rappl. Als die Wettervorhersagen Nachtfrost ankündigten, sei bei den Winzerinnen und Winzern Unruhe spürbar geworden. Denn vorbereiten konnte man sich darauf nicht. „Wir können Wein nicht im Gewächshaus anbauen oder über eine Fläche von 100 Hektar Schutzfolien spannen. Das ist unrealistisch.“

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Bei Luftfrösten gebe es die Möglichkeit, mit Hubschraubern über das Gebiet zu fliegen, deren Rotorblätter kalte mit wärmerer Luft verwirbelten und die Temperatur erhöhten. Doch bei dem Ereignis vor gut zwei Wochen gab es keine wärmeren Luftschichten. Die Kälte war überall, so dass das aufwendige und teure Verfahren nichts genutzt hätte. Nun wolle man sich mit anderen Winzerinnen und Winzern, auch im Ausland, austauschen, um Lösungen zu finden.

Nach Rekorderntejahr 2022: Keller vieler Winzerinnen und Winzer sind noch gut gefüllt

Die Maifröste, die als „Eisheilige“ bekannt sind, seien weniger gefürchtet, meint Max Jantke. „Meist sind das Bodenfröste, die weniger Schaden anrichten. Außerdem gibt es weinbaulich die Möglichkeit, einen Trieb als „Frostrute“ nach oben zu ziehen und so vom kalten Boden fernzuhalten.“ Zunächst aber sollen die Winzerinnen und Winzer der Odenwälder Weininsel in Groß-Umstadt ihre Pflanzen und vor allem die Böden einfach in Ruhe lassen, damit die Nährstoffe im Erdreich erhalten bleiben und erst bei Bedarf von den Reben aufgenommen werden.

Und was bedeutet der Ernteausfall für das Winzerfest? Das werde sich in den kommenden zwei Jahren zeigen, meint Petermann-Rappl. „Nach dem Rekorderntejahr 2022 sind die Keller vieler Winzer noch gut gefüllt. Sie können zunächst ihre Vorräte abverkaufen. Im Folgejahr werden wir die Knappheit aber schon spüren.“

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